Aus dem Off: Erwin Schmoller
von Delia Dahinden
Ganz unten, ganz unauffällig: Erwin Schmoller. Dabei hat er ein sehr bewegtes Leben geführt als Mitglied einer Wanderbühnentruppe. Hier plaudert er aus dem Nähkästchen:
Erwin Schmoller:
"Ich bin hier! Hier bin ich, ganz unten, unterhalb von den Herrschaften mit dem schönen Federschmuck.
Genau: Darf ich mich vorstellen: Erwin Schmoller.
Kinder entdecken mich immer sofort – gut, mit ihnen verkehre ich natürlich, wie man so sagt, auf Augenhöhe.
Erwachsene schauen meist über mich hinweg. Ich bin zu klein, zu unauffällig und zudem auch noch Brillenträger: Ein total normaler, uninteressanter Spiesser.
Aber denkste! Ich könnte Ihnen Dinge erzählen! Ich war ja jahrelang mit einer sehr berühmten Wanderbühne auf Tour. Echt großes Theater war das – Komödien, Dramen, Herz und Schmerz, Liebe und Tod – hatten wir alles im Repertoire.
Gut, mich sah man eher in Nebenrollen, aber auch für die gibt es ja Oscars, und eine Story kann nicht nur aus Helden mit kantigen Gesichtern und stechendem Blick bestehen. Ich weiss, ich weiss, auch für den Bösewicht eignet sich mein Gesicht nicht – zu harmlos. Ich war dann eher zuständig für die Rolle des netten Herrn von nebenan oder als Bote oder Schreiberling oder Witzbold…
Einmal, da war Herbert, unser Hauptdarsteller gerade in Reparatur, da schaffte ich es sogar bis zum Liebhaber der Dame aus dem dritten Stock. Angela, wir waren wie Richard Burton und Liz Taylor, es war Liebe auf den ersten Blick und doch – wir konnten nicht mit einander und nicht ohne einander.
Tja, und dann kamen die Kinos und wir gingen Pleite. Alles wurde verkauft, was nicht niet- und nagelfest war – dabei kam mir auch meinen Körper abhanden. Ein paar meiner damaligen Kollegen müssen auch noch hier irgendwo sein – alle haben es nicht in eine Vitrine geschafft, da könnte ja jeder kommen.
Nun vertreibe ich mir die Zeit mit Witze-Erzählen… Die stilisierten Herrschaften zu meiner Linken haben leider keinen Sinn für Humor, die sind sehr ernsthaft und postmodern eingestellt. Aber Max Gross, mein Nachbar rechts, der lacht über meine Witze – manchmal kann er sich fast nicht mehr einkriegen vor Lachen, das kann auch ziemlich nerven – aber immer noch besser als die Grauköpfe links.
Angela – sie hat mich dann endgültig verlassen, lebt wieder im dritten Stock oben… Genau: Die schöne Dame mit den aufgesteckten Haaren, gleich neben dem Teufel zu ihrer Linken und dem bärtigen Professor zu ihrer Rechten. Dabei bevorzugt sie glattrasierte Männer, so wie mich, immer gepflegt und mit guten Manieren.
Aber wissen Sie was: Die Hoffnung stirbt zuletzt, und ich kann warten."
Über Delia Dahinden
Delia Dahinen (geb. 1959) lebt und arbeitet in der Schweiz als Schauspielerin, Regisseurin, Puppenbauerin, Theaterpädagogin und Flamencolehrerin. 2014 gründete Sie mit Anna Karger die Theatergruppe DAKAR Produktion, zu dem schließlich auch der Musiker Lukas Roth stieß. Gemeinsam erschuf das Trio zahlreiche erfolgreiche Figurentheaterinszenierungen wie "Hin ist hin" oder "Matto regiert", mit denen DAKAR Produktion auch in unserem Programm zu sehen waren bzw. sind.
Nächste geplante Aufführung
"Matto regiert" am 10. Juni 2021 im Saal des Münchner Stadtmuseums.
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(Beitrag vom 8.6.21)