Wir trauern um Manfred Wegner (1956-2021)

Ein Brief an Mitglieder der GFP und Freunde von Jörg Baesecke, Präsident der GFP

Foto: Gyula Molnár

Liebe Mitglieder der GFP, liebe Freunde des Figurentheaters,

es fällt mir schwer, aber ich muss euch und Ihnen allen mitteilen, dass Manfred Wegner, langjähriger Leiter der Sammlung Puppentheater / Schaustellerei des Münchner Stadtmuseums und Mitglied unseres Vorstands, am 8. August 2021 nach langer schwerer Krankheit verstorben ist.

Der Tod eines so wichtigen Begleiters macht erst einmal sprachlos – keine gute Voraussetzung, um einen Nachruf zu verfassen. Irgendwelche Phrasen kommen einem in den Sinn, so etwas wie „graue Eminenz“. Aber das beschreibt ihn so ganz und gar nicht, einfach schon, weil er nie herausragen wollte. Seinen enormen Sachverstand hat er nie groß herausgestellt, aber wenn sein Wissen gefordert war, ließ er andere gern daran teilhaben. Wer mit ihm zu tun hatte, lernte schnell seine Ruhe, Verlässlichkeit und Beständigkeit schätzen, außerdem seine Beharrlichkeit und seinen stillen Humor.

Bei allem Kummer über diesen Verlust ist eine Lebensleistung besonders zu würdigen, die nicht gleich ins Auge fällt: Es ist ihm gelungen, sich entbehrlich zu machen, und darauf hat er sicher auch hingearbeitet, in aller Bescheidenheit. Er hat, wie es so schön heißt, das Feld so gut bestellt, dass wir nun weiter darauf arbeiten, ernten und aufs Neue säen können. Ich bin sicher, dass ihm der große Schritt nach vorn, den unsere Gesellschaft in den letzten Jahren getan hat, ein tiefes Bedürfnis war und ihm eine große Genugtuung verschafft hat. Ich bin sehr froh, dass er diese Entwicklung noch hat miterleben können, wobei er seinen eigenen Anteil an dieser Entwicklung niemals hervorgehoben hat. Um so mehr müssen wir das heute tun.

Auf unserer letzten Mitgliederversammlung im Juli wurde darum auch einstimmig beschlossen, ihm die Ehrenmitgliedschaft anzubieten. Dass dieses Angebot nun ins Leere geht, erfüllt uns wohl alle mit tiefer Trauer.

Eminent wichtig (und da wäre die Eminenz doch wieder!) war er dabei nicht allein für uns als Verein. Es ging ihm immer darum, in die Stadt hineinzuwirken, unsere Kunstform aus den Museumsvitrinen, aus dem Museumsgebäude heraus in München und darüber hinaus bekannt zu machen. Wichtig war ihm dabei vor allem, die Wahrnehmung dafür zu erweitern, was diese Form alles beinhalten kann. Von „Puppentheater“ sprach er meist eher mit spitzen Lippen, geradezu distanziert; mir kam es immer so vor, als ob ihm die ‚Puppen’, das ‚P’ in GFP, nur schwer über die Zunge gingen. Figurentheater in seiner ganzen Formenvielfalt wahrnehmbar zu machen war ihm ein großes Anliegen, neue Schau- und Spielplätze in der Stadt zu finden oder zu schaffen stand über Jahre ganz oben auf seiner Agenda. Vieles davon haben wir verwirklichen können, und wenn wir weiter in diesem, in seinem Sinne tätig sind, dann hilft es uns vielleicht, über diesen Verlust hinwegzukommen.

Vielleicht schaut er jetzt von irgendwoher auf uns herab, interessiert, leicht amüsiert, dann wieder den Blick in die Ferne gerichtet, hoffentlich zufrieden mit dem, was er hinterlassen hat und begleitet von unserer Wertschätzung.

Jörg Baesecke

August 2021

 

Manfred Wegner, geboren 1955 in Essen, hatte an der FU Berlin Theaterwissenschaft, Psychologie und Philosophie studiert und schloss das Studium 1982 mit einer puppentheaterhistorischen Arbeit zu „Theorien puppenspielkundlicher Forschung im 20. Jahrhundert (1900-1945)“ ab. 1981 gründete er das Berliner Puppentheater „Hans Wurst Nachfahren“ mit, wandte sich aber nach zwei gemeinsamen Produktionen wieder der Forschung zu. Mit der Publikation „Die Spiele der Puppe“, die er zum 50-jährigen Jubiläum der Sammlung Puppentheater des Münchner Stadtmuseums vorbereitete und herausgab und die wichtige Beiträge zur Kunst- und Sozialgeschichte des Puppentheaters zusammenstellte, begann sein Einstieg in die Sammlung, deren Mitarbeiter er seit 1988 war. Seitdem prägte er alle Ausstellungen und Publikationen der Sammlung mit, darüber hinaus suchte er sich aber immer wieder auch Themenfelder außerhalb der Puppentheatergeschichte, etwa mit einer Ausstellung zu Erich Kästners 100. Geburtstag (1999), zu neuen sozialen Bewegungen der 1970er Jahre (2013) oder zu Kurt Eisner (2017). 2004 war er Mitbegründer der Figurentheaterzeitschrift „Double“. 2008 wurde er Leiter der Sammlung Puppentheater / Schaustellerei. In dieser Funktion gelang es ihm in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft zur Förderung des Puppenspiels e. V., den Veranstaltungsbereich der Sammlung mit internationalen Festivals zu intensivieren und zu professionalisieren. 2019 veröffentlichte er sein „Handbuch zum künstlerischen Puppenspiel 1900-1945. Deutschland, Österreich, Schweiz“, das sicher ein Standardwerk der Puppentheaterforschung bleiben wird. Im Januar 2021 zog er sich in den Ruhestand zurück.

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